06.20 Uhr
Bewusstloser Patient (die Einsatzmeldungen sind manchmal recht dürftig)
Ankunft 06.35 Uhr
Die bereits durchgeführten Vitalparameter:
In der Anamnese der Gattin stellt sich folgender Sachverhalt dar: Der Patient hätte heute am Vormittag die Gattin angerufen, aber das Gespräch unverm...
In der Anamnese der Gattin stellt sich folgender Sachverhalt dar:
Der Patient hätte heute am Vormittag die Gattin angerufen, aber das Gespräch unvermittelt abgebrochen, woraufhin die einen Stock darüber wohnende Schwiegermutter kontaktiert wurde, um nach dem Patienten zu schauen. Während des Gesprächs betrat jedoch der Patient die Wohnung der Schwiegermutter und brach im Beisein der Schwiegermutter bewusstlos zusammen. Er nimmt keine „Blutverdünnung“, hätte keine Allergien, Dauermedikation unter anderem Venlafaxin, Mirtazapin und Acemin, weitere Medikamente weiß die Gattin gerade nicht; einen medizinischen Bericht gibt es nicht.
Arbeitsdiagnose
Eine Indikation zur Intubation ist bei einem GCS von 11 nicht gegeben, der Patient erreicht mit sei...
Eine Indikation zur Intubation ist bei einem GCS von 11 nicht gegeben, der Patient erreicht mit seiner Spontanatmung einen guten Sättigungswert. Bei ...
Eine Indikation zur Intubation ist bei einem GCS von 11 nicht gegeben, der Patient erreicht mit seiner Spontanatmung einen guten Sättigungswert.
Bei Verdacht auf einen intrakraniellen Prozess gilt es einen Kompromiss bezüglich des Blutdrucks einzugehen. Ein zu hoher Blutdruck kann bei SAB (Blutung aus einem Subarachnoidalgefäß, entweder im Rahmen eines Trauma, oder spontan bei einem Aneurysma- Gefäßerweiterung) die Blutung fördern, somit zu einer Raumforderung führen und eine Schädigung des Gehirns bzw. den Tod herbeiführen. Ein zu niedriger Blutdruck kann die Durchblutung des Gehirns herabsetzen und somit zu sekundärer Zerstörung von Hirngewebe führen.
Daher wurde zunächst ein 18G Venflon in der rechten Beuge gelegt und anschließend bolusweise (schnelle Gabe) insgesamt 10mg Uradipil iv verabreicht.
Es konnte ein Blutdruck von systolisch 160 erreicht werden. Auf die Anlage einer Halskrause wurde verzichtet, da der Patient alle vier Extremitäten bewegt hat. Die Halskrause kann zu einem Abflusshindernis der Hirngefäße führen und damit die Situation verschlimmern.
Der Patient wurde mittels Tragetuch über die Stiege in den SEW transportiert. Es erfolgt noch ein EKG-Monitoring. Die Parameter während des Transport...
Der Patient wurde mittels Tragetuch über die Stiege in den SEW transportiert. Es erfolgt noch ein EKG-Monitoring. Die Parameter während des Transports waren stabil.
Dem Schockraum wurde der Patient als V.a. Subarachnoidalblutung, bewusstseinsgetrübt, hämodynamisch stabil, nicht beatmet, nicht intubiert angekündigt.
Abfahrt vom Einsatzort um 06.55 Uhr, Ankunft im Schockraum 07.09 Uhr.
Nach Übergabe, Monitoring und Untersuchung durch das Schockraumteam erfolgte rasch ein Schädel-CT.
Man erkennt eine Subarachnoidalblutung aus Patientensicht links, sowie ein großes Hämatom gegenüberliegend mit Fraktur der Schädelkalotte.
Die erste Blutabnahme im Schockraum zeigt bis auf eine Ausnahme im Wesentlichen ein unauffälliges Bild:
Der Patient wird auf die Intensivstation aufgenommen. In der neurochirurgischen Begutachtung war akut keine OP-Indikation gegeben. Der Natriummangel wurde langsam mit 10% Natriumchlorid ausgeglichen. Im MR wurde keine Ischämie des Hirngewebes festgestellt. Insgesamt verbrachte der Patient 6 Tage an der Intensivstation und folgend noch 2 Wochen an der Normalstation.
Die Diagnose lautet Subarachnoidalblutung.
Info: Bei einer Subarachnoidalblutung läuft Blut in den Subarachnoidalraum, also in den Raum zwischen der inneren und mittleren Schicht der Gewebe, die das Gehirn umgeben.
Die primäre Arbeitsdiagnose war SAB (Subarachnoidalblutung); das passte ins Bild: Hypertoner Kreislauf, bewusstseinsgetrübt.
Der Sachverhalt war in diesem Fall aber komplexer. Die Medikamente, welche der Patient einnimmt können einen Natriummangel verursachen, welcher wiederum zu Schwäche, Schwindel und Bewusstseinstrübung führen kann. Genau dies war wohl hier der Fall. Alle drei oben genannten Medikamente können einen Natriummangel erzeugen, umso mehr in einer Kombination. Der Patient war verwirrt, vergaß die Blutdruckmedikamente einzunehmen (Blutdruck von 190 systolisch), stürzt schließlich wegen des Schwindels und zieht sich ein Schädelhirntrauma zu.
In den Leitlinien werden allerdings bei SAB höhere RR Werte toleriert, als bei SHT. Es gilt eine stabile Kreislaufsituation und eine gute Sättigung zu halten oder zu erreichen.
Sowohl bei SHT, als auch bei SAB gilt es, die Durchblutung des Gehirns zu erhalten. Niedrige sowie sehr hohe Drücke sind zu vermeiden. Bei SAB ist ein Zielwert des mittleren arteriellen Blutdrucks zwischen 60-90 mmHg anzustreben, bezüglich SHT sind lt. Leitlinien auch niedrigere Drücke vertretbar. Bei höheren Drücken steigt die Gefahr einer verstärkten Blutung, bei niedrigeren Drücken die Gefahr einer Ischämie Sauerstoffmangel des Gehirns).
Die Anlage der Halskrause wird immer wieder kontrovers diskutiert. Bei Verdacht auf SHT besteht generell die Gefahr, dass auch die Halswirbelsäule einen Schaden erlitten hat. Hier gilt es abzuwägen, von welchen Maßnahmen der Patient wirklich profitiert. Wie erwähnt kann die Halskrause den venösen Abfluss des Gehirns behindern und damit zu Schäden führen. Eine nicht geschiente HWS kann bei einer Fraktur der HWS allerdings zur Lähmung führen. Die Gesamtsituation einschätzend, wurde hier die Entscheidung gegen die Halskrause getroffen.
Nach dem Zivildienst im Rettungswesen hat Tobias Guttmann das Medizinstudium in Graz absolviert, Turnus in Linz (noch AKh). Beginn der Facharztausbildung für Anästhesie und Intensivmedizin 2016, Abschluss 2021. Während des Studiums ehrenamtliche Tätigkeit bei der Rettung. 2017 (zitternder) Beginn der notärztlichen Tätigkeit, bislang weit über 1000 Einsätze.