Im Kinderherz Zentrum des Kepler Universitätsklinikums wurde vor vier Monaten bei einem ungeborenen Kind kurz vor der Geburt erstmals erfolgreich ein Stent implantiert. Das Ungeborene litt an einem angeborenen Herzfehler (Hypoplastisches Linksherzsyndrom), durch den der Abfluss des Blutes aus den Lungen von den Vorhöfen in die Herzkammern nicht möglich war. Aufgrund dieses schweren Herzfehlers hat sich eine wichtige Verbindung im Herzen verschlossen, wodurch das Kind nach der Geburt nicht lebensfähig gewesen wäre bzw. mit großem Aufwand und unkalkulierbarem Risiko sofort notoperiert hätte werden müssen.
„Mittels einer langen Hohlnadel wurde beim ungeborenen Kind kurz vor dem Entbindungstermin ein neun Millimeter langer und drei Millimeter im Durchmesser haltender Stent ins Herz (in der Vorkammerscheidewand) unter Ultraschallsicht implantiert. Dadurch wurde eine Verbindung zwischen den beiden Vorhöfen hergestellt und so bereits vor der Geburt ein ausreichender Abfluss des sauerstoffreichen Blutes aus der Lunge gesichert.“, erklärt Prim. Priv.-Doz. Dr. Wolfgang Arzt, Vorstand des Instituts für Pränatalmedizin.
Das Kind kam sechs Tage nach diesem Eingriff per Kaiserschnitt zur Welt und benötigte aufgrund des pränatal implantierten Stents keinerlei intensivmedizinische Maßnahmen. Aufgrund des angeborenen Herzfehlers konnte am Ende der ersten Lebenswoche die geplante und notwendige Herzoperation ohne Probleme durchgeführt werden.
„Eine erfolgreiche Stentimplantation im fetalen Herz eines reifen Ungeborenen wenige Tage vor der Geburt wurde weltweit bislang noch nie durchgeführt. Vor allem in den USA und Kanada wurden bis dato zwar wenige Stentimplantationen versucht, jedoch noch nie zu diesem Zeitpunkt kurz vor der Geburt. Dadurch wurde dem Kind ein Überleben nach der Geburt trotz des schweren Herzfehlers (Hypoplastisches Linksherzsyndrom) gesichert. Unser erklärtes Ziel ist es, Kindern mit angeborenen Herzfehlern eine optimale Lebensqualität und Lebenserwartung zu ermöglichen.“, freut sich Univ.-Prof. Prim. Dr. Gerald Tulzer, Vorstand der Klinik für Kinderkardiologie.
Das Kinderherz Zentrum Linz am Kepler Universitätsklinikum ist in Zusammenarbeit mit dem Institut für Pränatalmedizin mit über 150 durchgeführten Interventionen europaweit das größte und weltweit zweitgrößte Zentrum für pränatale Herzeingriffe. Möglich ist das durch ein gut abgestimmtes Zusammenspiel von Ärztinnen und Ärzten unterschiedlicher Fachrichtungen.
Wichtig bei derartigen Eingriffen ist die kontinuierliche Miteinbeziehung der Eltern durch umfassende Information sowie psychologische Betreuung der Eltern und der größeren Geschwister vor, während und nach dem stationären Aufenthalt. Es besteht die Möglichkeit der Mitaufnahme eines Elternteils sowie unbeschränkte Besuchszeiten für nahe Angehörige.
Der medizinische Geschäftsführer und Ärztliche Direktor des Kepler Uniklinikums Dr. Heinz Brock betont: „Pränatale Eingriffe sind sehr komplex und benötigen viel Erfahrung. Die fächerübergreifende Zusammenarbeit hat sich hier sehr bewährt, das Zusammenwirken von Pränatalmediziner/-innen, Kardiologinnen bzw. Kardiologen und Herzchirurginnen bzw. Herzchirurgen hat unserem Klinikum zu weltweiter medizinischer Reputation verholfen.“
Die kaufmännische Geschäftsführerin Dr. Elgin Drda ergänzt: „Seit 1995 wurden am Kinderherz Zentrum am Kepler Universitätsklinikum mehr als 4000 Kinder operiert, mehr als 25 % waren Neugeborene, zwei Drittel jünger als ein Jahr. Das Kinderherz Zentrum zählt weltweit zu den renommiertesten Zentren überhaupt und wir sind sehr stolz auf unsere Expertinnen und Experten.“
„Hinter diesem erstklassigen Ärzteteam stehen auch zahlreiche hochqualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anderer Berufsgruppen, wie beispielsweise jene der Pflege. Ohne deren Expertise und die gut funktionierende berufsgruppenübergreifende Zusammenarbeit wären derartige Erfolge nicht möglich. Sie unterstützt dabei mit ihrer hohen Kompetenz im Bereich der Anästhesie- und OP-Pflege vor allem bei der Vorbereitung, während des Eingriffs und in der Nachbetreuung der Patientinnen und Patienten.“, betont Pflegedirektorin Simone Pollhammer, MBA.
v.l.n.r.: Pflegedirektorin Simone Pollhammer, MBA, Prim. Priv.-Doz. Dr. Wolfgang Arzt, Kaufmännische Direktorin GFin Mag.a Dr.in Elgin Drda, Jan Turner (Patient), Gerald Turner (Vater), Christine Raffelsberger (Mutter), Natalie Turner (Schwester), Prim. Univ.-Prof. Dr. Gerald Tulzer, Ärztlicher Direktor GF Dr. Heinz Brock
Das 1995 gegründete Kinderherz Zentrum am Kepler Uniklinikum ist mittlerweile das größte Zentrum Österreichs. Es ist spezialisiert auf komplexe Korrekturoperationen beim Neugeborenen, schwierigste Eingriffe bei Kindern und Erwachsenen mit angeborenen Herzfehlern sowie führend bei pränatalen Herzeingriffen. Der weltweit erste erfolgreiche Eingriff am Herzen eines Ungeborenen wurde im Jahr 2000 in Kooperation mit dem Institut für Pränatalmedizin durchgeführt. 1997 wurde das erste Neugeborene mit hypoplastischem Linksherzsyndrom erfolgreich operiert.
Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung ist die korrekte Diagnose und rechtzeitige Zuweisung. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann bei einem Teil dieser Patientinnen durch den Eingriff im Mutterleib der natürliche Verlauf eines angeborenen Herzfehlers, der zu einem Verlust einer Herzkammer bis zum Ende der Schwangerschaft führen würde, entscheidend beeinflusst und die betroffene Herzkammer gerettet werden.
Die Erfolgsrate für solche pränatalen Herzeingriffe liegt am Kepler Uniklinikum bei über 90 Prozent. In vielen Fällen sind auch nach der Geburt noch Eingriffe am Kinderherzen nötig. Dabei muss oft die nicht normal entwickelte Herzklappe noch im Neugeborenenalter ersetzt werden, damit die Entwicklung der Herzkammer auch nach der Geburt ideal fortschreiten kann.
Das Hypoplastische Linksherzsyndrom ist einer der schwersten Herzfehler. Man versteht darunter die Unterentwicklung der ganzen linken Herzhälfte. Hierzu zählen die Mitralklappe (Herzklappe zwischen linkem Vorhof und linker Hauptkammer), der linke Ventrikel (linke Hauptkammer), die Aortenklappe (Herzklappe der Hauptschlagader) und die Aorta (Hauptschlagader) mit dem Aortenbogen. Die Herzklappen können verengt (stenotisch) oder vollständig verschlossen (atretisch) sein. Da die linke Herzhälfte nicht funktioniert, ist das Baby für die Durchblutung des Körpers und der Lunge alleine auf seine rechte Herzhälfte angewiesen.
Im Mutterleib geht es dem Kind gut und es wächst meist ganz normal. Nach der Geburt verschließt sich aber die bei jedem Baby vorhandene Verbindung zwischen der Lungen- und Körperschlagader: der Ductus arteriosus (Gefäß zwischen der Lungen- und Körperschlagader). Dies geschieht in den ersten Lebensstunden bis zum etwa dritten Lebenstag. Verschließt sich der Ductus arteriosus, was bei jedem Neugeborenen eintritt, erhält der Körperkreislauf kaum noch Blut und das Baby erleidet einen Kreislaufschock. Unerkannt stirbt das Kind innerhalb kurzer Zeit. Von größter Bedeutung ist hier aber eine weit offene Verbindung zwischen dem linken und rechten Vorhof, damit das sauerstoffreiche Blut aus den Lungenvenen über die rechte Herzkammer Gehirn und Körperkreislauf erreichen kann.
Die besten Aussichten hat ein Kind mit hypoplastischem Linksherzsyndrom, wenn die Diagnose bereits vor der Geburt bekannt ist. Die Entbindung wird dann im Kinderherz Zentrum geplant. Ein dreistufiges Operationsverfahren ist erforderlich, um die rechte Herzhälfte so anzupassen, dass auf Dauer die gesamte Herzfunktion übernommen werden kann. Die Operationen sind sehr komplex.
Das Institut für Pränatalmedizin unter der Leitung von Prim. Priv.-Doz. Dr. Wolfgang Arzt ist auf die Diagnose und Abklärung von Fehlbildungen ungeborener Kinder spezialisiert. Bisher wurden mehr als 12.000 Eingriffe im Mutterleib durchgeführt. Das ist österreichweit die größte Zahl. Die Herzeingriffe bei Ungeborenen stellen dabei international den bedeutendsten fetalchirurgischen Schwerpunkt in der Pränatalmedizin dar. Mit einem hochspezialisierten multidisziplinären Team betreuen und überwachen die Spezialistinnen bzw. Spezialisten des Kepler Uniklinikums sogenannte Risikoschwangerschaften und sorgen vor, während und nach der Geburt für eine optimale Betreuung von Mutter und Kind.
Die Kinderherzchirurgie am Kepler Universitätsklinikum unter der Leitung von Prim. Priv.-Doz. Dr. Rudolf Mair kann auf über 20 Jahre Erfahrung zurückblicken. Neben zahlreichen anderen erstmals durchgeführten Herzoperationen wurde 1997 das erste Neugeborene mit hypoplastischem Linksherz erfolgreich operiert. Seit 1995 wurden mehr als 4000 Kinder am Herzen operiert, mehr als 25 % dieser Kinder waren Neugeborene, knapp zwei Drittel waren jünger als ein Jahr.
An der Klinik für Kinderkardiologie unter der Leitung von Prim. Univ.-Prof. Dr. Gerald Tulzer werden komplexe pränatale Herzfehler und Rhythmusstörungen abgeklärt und gemeinsam mit dem Institut für Pränatalmedizin behandelt. Für Herzkatheteruntersuchungen und Interventionen steht ein hochmodernes Herzkatheterlabor mit 3D-Bildgebung zur Verfügung. Bei ca. 50 % der Untersuchungen erfolgen therapeutische Eingriffe, wie z. B. bei Verschlüssen von Scheidewanddefekten im Herzen. Zur Bewältigung psychischer Probleme und Ängste von Kindern und Eltern kann die Hilfe fachkundiger Psychologinnen bzw. Psychologen in Anspruch genommen werden.
Es stehen auf der operativen Intensivstation 10 hochmoderne Intensivpflegeplätze für Kinder zur Verfügung. Alle Berufsgruppen arbeiten eng zusammen, um für die Kinder die individuell beste Behandlung zu gewährleisten. Jährlich werden mehr als 300 Kinder und Jugendliche nach herzchirurgischen Eingriffen betreut. Geleitet wird die Intensivstation von Prim. Univ.-Prof. Dr. Jens Meier.