Manche ungeborene Kinder mit Herzklappenfehler können im zweiten Schwangerschaftsdrittel eine schwere Herzschwäche mit Wassereinlagerungen im Bauch und Brustkorb entwickeln. Kommt es zu diesem ungünstigen Verlauf, konnte bisher diesen Ungeborenen medizinisch leider nicht geholfen werden, auch konnten keine Behandlungen mehr durchgeführt werden. Meist starben die Ungeborenen noch im Mutterleib. Am Kinderherz Zentrum in Linz konnten jetzt auch diese Kinder erstmals mittels intrauteriner Herzklappen-OP erfolgreich behandelt werden. Von 14 bisher therapierten Kindern konnte bei mehr als zwei Drittel die Herzschwäche so gebessert werden, dass das eingelagerte Wasser im Körper verschwand und die Kinder lebend das Licht der Welt erblicken konnten. Die Hälfte dieser sonst todgeweihten Kinder lebt jetzt sogar mit einem normalen 2-Kammerherz und ohne Einschränkungen.
Weltweit hat damit das Kinderherz Zentrum Linz nun mit Abstand die meisten derartigen Kinder mit dieser Prognose im Mutterleib behandelt. Wir konnten erstmals zeigen, dass ungeborene Kinder mit einem schweren Herzklappenfehler und Herzschwäche im letzten Stadium durch diesen komplexen Eingriff im Mutterleib nicht nur gerettet werden können, sondern nach der Geburt auch die Chance auf ein normales Leben haben.
Diese Ergebnisse wurden jetzt in einer der renommiertesten internationalen medizinischen Fachzeitschriften zur Publikation angenommen.
Durchgeführt wurden diese Eingriffe unter der Leitung von Prim. Univ.- Prof. Dr. Gerald Tulzer und Prim. Priv.-Doz. Dr. Wolfgang Arzt vom Institut für Pränatalmedizin gemeinsam mit dem Team des Kinderherz Zentrums. Unter Ultraschallkontrolle wird eine Hohlnadel bis in die ca. 1,5 cm große linke Herzkammer des Ungeborenen eingeführt. Anschließend werden über diesen Zugang die nötigen Instrumente, also Draht und Herzkatheter, über der verengten ca. 3-4 mm großen Herzklappe positioniert. Dann erfolgt unter Sicht eine mehrmalige Dehnung der Klappe bis wieder ein guter Fluss durch diese Engstelle vorhanden ist. Aufgrund der bereits bestehenden schweren Herzschwäche im Endstadium sind diese Kinder extrem empfindlich und müssen meist während oder gleich nach dem Eingriff medikamentös durch intrakardiale Verabreichung von Adrenalin behandelt bzw. reanimiert werden.
„Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung ist die korrekte Diagnose und rechtzeitige Zuweisung in das Kinderherz Zentrum, da pränatale Eingriffe sehr komplex sind und große fachmedizinische Expertise benötigen“, sagt Univ.-Prof. Prim. Dr. Gerald Tulzer, Vorstand der Klinik für Kinderkardiologie.
„Wir sind sehr stolz, dass wir auch bei diesen schwersten Herzklappenerkrankungen nun große Erfolge erzielen können. Durch den Eingriff im Mutterleib kann der natürliche Verlauf bei Herzklappenfehlern entscheidend beeinflusst und das Leben des Kindes gerettet werden“, erklärt Prim. Priv.-Doz. Dr. Wolfgang Arzt, Vorstand des Instituts für Pränatalmedizin.
Das Kinderherz Zentrum Linz am Kepler Universitätsklinikum ist gemeinsam mit dem Institut für Pränatalmedizin mit über 190 intrauterinen Herzeingriffen europaweit das größte und weltweit zweitgrößte Zentrum für pränatale Herzeingriffe. Möglich ist das durch höchste medizinische Fachkompetenz von Ärztinnen und Ärzten unterschiedlicher Fachrichtungen.
Wichtig bei derartigen Eingriffen ist die kontinuierliche Miteinbeziehung der Eltern durch umfassende Information sowie psychologische Betreuung der Eltern und der größeren Geschwister vor, während und nach dem stationären Aufenthalt. Es besteht die Möglichkeit der Mitaufnahme eines Elternteils sowie unbeschränkte Besuchszeiten für nahe Angehörige.
Das 1995 gegründete Kinderherz Zentrum am Kepler Uniklinikum ist mittlerweile das größte Zentrum Österreichs. Es ist spezialisiert auf komplexe Korrekturoperationen beim Neugeborenen, schwierigste Eingriffe bei Kindern und Erwachsenen mit angeborenen Herzfehlern sowie führend bei pränatalen Herzeingriffen. Der weltweit erste erfolgreiche Eingriff an der Herzklappe der Lungenschlagader eines Ungeborenen wurde im Jahr 2000 in Kooperation mit dem Institut für Pränatalmedizin durchgeführt.
Pränatalmedizin
Das Institut für Pränatalmedizin unter der Leitung von Prim. Priv.-Doz. Dr. Wolfgang Arzt ist auf die Diagnose und Abklärung von Fehlbildungen ungeborener Kinder spezialisiert. Bisher wurden mehr als 12.000 Eingriffe im Mutterleib durchgeführt. Die Herzeingriffe bei Ungeborenen stellen dabei international den bedeutendsten fetalchirurgischen Schwerpunkt in der Pränatalmedizin dar. Mit einem hochspezialisierten multidisziplinären Team betreuen und überwachen die Spezialistinnen bzw. Spezialisten des Kepler Uniklinikums sogenannte Risikoschwangerschaften und sorgen vor, während und nach der Geburt für eine optimale Betreuung von Mutter und Kind.
Kinderherzchirurgie
Die Kinderherzchirurgie am Kepler Universitätsklinikum unter der Leitung von Prim. Priv.-Doz. Dr. Rudolf Mair kann auf über 25 Jahre Erfahrung zurückblicken. Neben zahlreichen anderen erstmals durchgeführten Herzoperationen wurde 1997 das erste Neugeborene mit hypoplastischem Linksherz erfolgreich operiert. Seit 1995 wurden mehr als 7.000 Kinder am Herzen operiert, mehr als 25 % dieser Kinder waren Neugeborene, knapp zwei Drittel waren jünger als ein Jahr.
Kinderkardiologie
An der Klinik für Kinderkardiologie unter der Leitung von Prim. Univ.-Prof. Dr. Gerald Tulzer werden komplexe pränatale Herzfehler und Rhythmusstörungen abgeklärt und gemeinsam mit dem Institut für Pränatalmedizin behandelt. Für Herzkatheteruntersuchungen und Interventionen steht ein hochmodernes Herzkatheterlabor mit 3D-Bildgebung zur Verfügung. Bei ca. 70 % der Untersuchungen erfolgen therapeutische Eingriffe, wie z. B. Verschlüsse von Scheidewanddefekten im Herzen. Zur Bewältigung psychischer Probleme und Ängste von Kindern und Eltern kann die Hilfe fachkundiger Psychologinnen bzw. Psychologen in Anspruch genommen werden.
Anästhesiologie und Intensivmedizin
Es stehen auf der operativen Intensivstation 10 hochmoderne Intensivpflegeplätze für Kinder zur Verfügung. Alle Berufsgruppen arbeiten eng zusammen, um für die Kinder die individuell beste Behandlung zu gewährleisten. Jährlich werden mehr als 500 Kinder und Jugendliche nach herzchirurgischen oder Herzkatheter-Eingriffen betreut. Geleitet wird die Intensivstation von Univ.-Prof. Dr. Jens Meier.