Auf Frauen und Kinder, aber auch auf Männer, die Opfer von Gewalttaten geworden sind, kann man überall treffen. Sie auch zu erkennen und entsprechend zu betreuen, ist das Ziel des Gewaltopfer-Betreuungsteams (GOBT) am Kepler Universitätsklinikum, das nicht nur Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses speziell darauf schult, sondern auch dafür sorgt, dass Betroffene den Weg in eine neue Existenz finden.
Jede fünfte Frau in Österreich wird Opfer einer Gewalttat. Viele davon leiden nicht nur unter der Tat und den Folgen, sondern quälen sich auch mit Schuldgefühlen und Existenzängsten. Ihre Situation erfordert einen besonders sensiblen Umgang mit ihnen.
Am 30. November 2018 besuchte die Bundesministerin Dr.in Juliane Bogner-Strauß das Gewaltopfer-Betreuungsteam am Kepler Universitätsklinikum in Linz. „Österreich war das erste Land in Europa, das vor 20 Jahren per Gesetz Personen, vor allem Frauen und Kinder, vor Gewalt im familiären Umfeld geschützt hat. Am 1. Mai 1997 wurde das Gewaltschutzgesetz erlassen, das klar machte: Gewalt ist keine Privatsache, sondern eine Straftat“, betont Dr.in Juliane Bogner-Strauß, Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend, im Rahmen ihres Besuchs am Kepler Universitätsklinikum. Zur Gleichstellung der Geschlechter in den Verfassungen und Rechtssystemen hat Österreich am 5. Juli 2013 die Istanbul-Konvention des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt ratifiziert. 2014 wurde der „Nationale Aktionsplan zum Schutz von Frauen vor Gewalt 2014-2016“ (NAP) beschlossen, der wichtige Forderungen des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt und des österreichischen Regierungsprogramms beinhaltet. „Die Umsetzung kann aber nur gelingen, wenn sich alle Ministerien, Bundesländer und politisch Verantwortlichen gemeinsam dafür stark machen und Maßnahmen setzen. Oberösterreich leistet dazu mit dem GOBT des Kepler Universitätsklinikums einen wertvollen Beitrag“, so die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend.
Für Frauen-Landesrätin Mag.a Christine Haberlander steht fest: „Es freut mich besonders, dass wir am Kepler Universitätsklinikum das Gewaltopfer-Betreuungsteam etablieren konnten. Damit ermöglichen wir die politischen und rechtlichen Zielsetzungen, die von der Prävention, über Gewalt gegen Frauen, über den Schutz von Opfern bis hin zu Strafmaßnahmen gegen die Täter reichen, bestmöglich umgesetzt werden können. Dass solch schwierige Situationen und Umstände zur vollsten Zufriedenheit unterstützt werden können, benötigt ein bestens geschultes und vor allem gut ausgebildetes Personal, das wir am Kepler Universitätsklinikum vorfinden. Dazu müssen wir schon in der Ausbildung mit der Bewusstseinsbildung beginnen.“
Am Kepler Universitätsklinikum stehen Misshandlungsopfern oder Patientinnen und Patienten, denen physische, psychische oder sexuelle Gewalt widerfahren ist, speziell geschulte und ausgebildete Erstansprechpersonen zur Verfügung. Das GOBT berät, betreut und versorgt Frauen und Kinder, aber auch Männer, denen Gewalt angetan wurde, ganzheitlich und bereichsübergreifend.
Alle Kliniken und Institute sowie Departments können sich an die Spezialistinnen und Spezialisten wenden, um Hilfestellung im Umgang mit Betroffenen zu bekommen. Anhand von Indikatoren werden Opfer von Gewalt sichtbar. Handlungsrichtlinien beschreiben den Umgang mit Betroffenen. In einem Vier-Augen-Gespräch wird in weiterer Folge Unterstützung auf professionelle und sensible Weise angeboten. Im Sinne einer tatbezogenen Bestandsaufnahme wird eine gründliche Untersuchung durchgeführt. Dazu gehört auch, dass vorhandene Spuren gesichert werden und der Vorfall dokumentiert wird. Die spezifische GOBT- und Bereichsdokumentation, alle Unterlagen und Materialien wie Fotos, Proben und Kleidung müssen für die Gerichtsmedizin aufbereitet werden. Betroffene werden nicht nur symptomatisch, sondern ganzheitlich betreut, denn neben der medizinischen oder pflegerischen Betreuung ist häufig psychologische oder soziale Betreuung erforderlich.
Betroffenen wird außerdem Mut gemacht, spezifische Angebote von externen Vereinen und Hilfseinrichtungen in Anspruch zu nehmen, damit sie auf ihrem Weg, sich wieder eine individuelle und sichere Existenz aufzubauen, optimal und nachhaltig unterstützt werden können. Kooperationen mit der Polizei, Gerichtsmedizin, dem Gewaltschutzzentrum, dem Frauenhaus, dem Autonomen Frauenzentrum, dem Kinderschutzzentrum und der Krisenhilfe u. v. m. sind dabei sehr hilfreich. Denn viele Betroffene wissen oft nicht, dass sie aufgrund des im Jahr 1997 verabschiedeten österreichischen Gewaltschutzgesetzes, etwa das Recht auf eine Wegweisung haben und ein Betretungsverbot erwirken können. Das kann bedeuten, dass der Partner oder die Partnerin aus der gemeinsamen Wohnung gesetzlich verwiesen wird, oder dem Kindergarten oder der Schule des Kindes fern bleiben muss. Sie wissen auch nicht, dass es diverse Hilfseinrichtungen gibt, die sie unterstützen und die sogar eine kostenlose Prozessbegleitung anbieten. Denn eines muss Gewaltopfern oft erst bewusst gemacht werden: Eine Gewalthandlung ist eine Menschenrechtsverletzung und Opfer haben das Recht sich zu wehren.
Bürgermeister MMag. Klaus Luger: „Das Team rund um Frau Mag.a Kern leistet nicht nur innerhalb des Krankenhauses sondern auch außerhalb eine Arbeit, die unsere Dankbarkeit und Wertschätzung verdient. Es hilft jenen, die Ungerechtigkeit, Leid und Schmerz erfahren mussten. Sie leiten uns aber auch an, nicht wegzuschauen, sondern Anzeichen zu erkennen und Hilfestellung anzubieten“, so Luger.
Das GOBT ist ein multidisziplinäres Team, das unter der Leitung von Mag.a Monika Kern steht. „Das GOBT ist nicht nur Ansprechpartner für Betroffene, sondern versteht sich auch als Informations- und Beratungsstelle für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses“, so Kern, die auch Leiterin der Abteilung Sozialberatung und Entlassungsmanagement am Med Campus des Kepler Universitätsklinikum ist.
Innerhalb des Bildungsprogramms des Kepler Uniklinikums werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Bereichen Medizin, Pflege, Sozialarbeit und Psychologie darauf geschult, Opfer von Gewalt zu erkennen und sie in ihrer prekären Situation bestmöglich zu betreuen, ihnen Schutz und Hilfe zu gewähren. Das GOBT wird dabei von externen Expertinnen und Experten unterstützt.
Zusätzlich steht die gesetzlich verankerte Kinderschutzgruppe (KSG) als beratendes Gremium zur Verfügung. Unter der Leitung von Prim. Dr. Michael Merl, Vorstand der Klinik für Psychiatrie und Psychosomatik des Kinder- und Jugendalters, sollen betroffene Kinder so früh wie möglich erkannt werden und ihnen soll eine familienzentrierte interdisziplinäre Betreuung zukommen. „Kinder und Jugendliche, die Gewalt erfahren mussten, haben häufig schwer damit zu kämpfen und leiden massiv unter der Krisensituation, die sie bewältigen müssen. Oft kommen zu den verstörenden Erlebnissen Traumafolgen und Entwicklungs- und Funktionsstörungen dazu. Neben der Betreuung und Behandlung sehen wir es auch als unsere Aufgabe an, Betroffene wieder in ihr soziales Bezugssystem zu integrieren“, so Merl. Neben dieser Hilfestellung zählt auch die Sensibilisierung der Mitarbeiter und der Öffentlichkeit zu den Aufgaben der Kinderschutzgruppe. GOBT und KSG tauschen sich in regelmäßigen Treffen aus. Beide sind gemäß §18a des oberösterreichischen Krankenanstaltengesetzes 1997 im Kepler Universitätsklinikum eingerichtet.
Was als oberösterreichisches Pilotprojekt 2008 durch die Initiative von Frau Mag.a Kern begonnen hat, wurde nur zwei Jahre später mit dem Gesundheitspreis der Stadt Linz ausgezeichnet. 2012 wurde die Errichtung von Opferschutzgruppen in der oberösterreichischen Krankenanstaltsordnung verankert. Das GOBT begleitet und unterstützt seither auch andere Gesundheitseinrichtungen bei der Implementierung eines Gewaltopfer-Betreuungsteams oder einer Opferschutzgruppe. Durch Vorträge und Seminare werden Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter, Beraterinnen bzw. Berater und Präventionsbeamte im Umgang mit Gewaltopfern sensibilisiert. Im März 2017 erhielt das GOBT die zweite große Auszeichnung der Stadt Linz, den Frauenpreis.
Die Kollegiale Führung des Kepler Universitätsklinikums – Mag.a Dr.in Elgin Drda, Kaufmännische Direktorin, Dr. Heinz Brock, Ärztlicher Direktor und Simone Pollhammer, Pflegedirektorin – hat die Bemühungen von Anfang an unterstützt und ist von der Wichtigkeit überzeugt: „Das GOBT unterstützt in zweierlei Hinsicht: Einerseits bietet es Hilfestellung für Opfer von Gewalt, andererseits sensibilisiert es unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf den Umgang mit ihnen.“
v.l.n.r.: Kaufmännische Geschäftsführerin Mag.a Dr.in Elgin Drda; Mag.a Monika Kern, Leitung Sozialberatung und Entlassungsmanagement am Med Campus III., Medizinischer Geschäftsführer Dr. Heinz Brock, MBA MPH MAS; Dr.in Juliane Bogner-Strauß, Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend; Mag.a Christine Haberlander, Landesrätin; Simone Pollhammer, Pflegedirektorin